top of page

5 Learnings aus meinem ersten Shitstorm

Vor wenigen Wochen behauptete eine Person im Netz fälschlicherweise, ich hätte eine Formatidee bei ihr „geklaut“ und rief ihre Follower:innen dazu auf, mich und meine Arbeit zu degradieren. Es folgte mein erster kleiner Shitstorm. Und so unangenehm die Situation auch war - ich habe dabei eine Menge gelernt. Diese Lektionen möchte ich mit euch teilen. Das sind die fünf Learnings aus meinem ersten Shitstorm.

Amelie Marie Weber, Journalistin in Berlin
Als der erste Shitstorm meines Lebens auf mich einprasselte, lernte ich eine Menge.

1. Ein Shitstorm fühlt sich noch schlimmer an als man es sich vorstellt

Obwohl ich schon seit Jahren im Netz unterwegs bin und immer wieder meine Arbeit und meine Meinung teile, blieb ich bisher von Shitstorms weitestgehend verschont. Doch aus dem Bekanntenkreis bekam ich schon häufiger mit, wie unangenehm es sein muss, im Netz mit bösen Kommentaren geflutet zu werden. Von außen betrachtet, sieht das vielleicht relativ harmlos aus, als Betroffene:r fühlt es sich aber ganz anders an.


Der Duden definiert einen Shitstorm als „Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht.“ Shitstorm. Ein ekelhaftes Wort, wenn ihr mich fragt. Und doch trifft es ziemlich genau das, was man in diesen Momenten empfindet: Die Scheiße fliegt dir um die Ohren und du kannst dich kaum dagegen wehren.


Bei mir ging es um einen ungerechtfertigten Vorwurf, der von einer wenig reichweitenstarken Seite aus ging, sodass sich der „Sturm“ in Grenzen hielt. Der Moment, in dem ich begriff, dass da jemand öffentlich Unwahrheiten und falsche Anschuldigungen verbreitete, meinen Namen nannte und tatsächlich so viele Menschen fand, die dem Aufruf folgten und mir fiese Nachrichten schrieben, war dennoch alles andere als schön. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie es sich anfühlen muss, wenn nicht nur hunderte sondern tausende Menschen auf dich einhacken und wenn daran dein Ruf, deine Karriere oder auch dein Privatleben hängt.


2. Nicht alle Nachrichten lesen

Nachdem ich die ersten drei Nachrichten gelesen hatte, die alle in Richtung „Du Diebin!“, „Schäm dich!“, „Du bist erbärmlich!“ gingen, wusste ich, dass ich genug gelesen hatte. Ich konnte mir bereits denken, dass die folgenden Nachrichten garantiert ähnlich klingen würden und somit keinerlei Mehrwert für mich bieten. Also las ich sie nicht. Es ging mir in diesem Moment schon schlecht genug. Ich fühlte mich ungerecht behandelt und von Unbekannten bedroht. Es hätte alles nur noch schlimmer gemacht, wenn ich Beleidigung für Beleidigung einzeln durchgelesen hätte. Und auf all diese Nachrichten zu antworten, wäre weder möglich, noch klug gewesen.


Stattdessen las ich mir die Nachrichten erst einige Tage später durch, als ich mich längst abgeregt hatte und gemütlich auf dem Sofa lag. Auch dann machte mich der ein oder andere Spruch noch wütend, aber ich löschte konsequent und antwortete erst gar nicht. Mein Motto im Netz ist ohnehin: Keine Aufmerksamkeit für Vollidioten.


3. Nicht öffentlich und impulsiv reagieren

Im Moment des Shitstorms konnte ich so klar aber noch nicht denken. Mein erster Impuls war, eine „Gegen-Story“ aufzunehmen und meine Sicht auf die Dinge umgehend öffentlich darzustellen. Allerdings sprach ich nicht nur in meinem eigenen Namen, da es bei den Vorwürfen um ein Format ging, das ich bei und mit meinem Arbeitgeber entwickelt hatte. Wenn man nicht nur für sich spricht, ist erst recht Vorsicht geboten. Also wartete ich ab und überlegte genau, ob und was ich sage. Letztlich äußerte ich mich gar nicht. Das war im Nachhinein betrachtet das Beste, was ich tun konnte.


Denn was wäre geschehen, wenn ich mich sofort und emotional öffentlich geäußert hätte? Meine Follower:innen hätten möglicherweise zum „Gegenschlag“ angesetzt und das Profil der anderen Person geflutet. Dann wäre es nicht nur mir, sondern auch ihr schlecht gegangen – und wen bringt das bitteschön weiter?


Vor allem aber hätte ich selbst Aufmerksamkeit auf die Thematik gelenkt und sie so viel größer gemacht als sie war. Die meisten meiner Follower:innen bekamen letztlich gar nichts von der ganzen Sache mit. Hätte ich eine eigene Story gedreht und wäre auf die Vorwürfe der Person eingegangen, hätten es mindestens 1500 Menschen mehr gehört und gesehen. Wozu?


4. Das persönliche Gespräch suchen

Anstatt mich öffentlich zu äußern, suchte ich das persönliche Gespräch mit der Person, die für den Shitstorm verantwortlich war. Private Nachrichten waren dabei jedoch wenig hilfreich, da sie kurzerhand Screenshots aufnahm und die Nachrichten in ihrer Story teilte.


Ich bat sie also um ein Telefonat. Mir ist klar, dass das nicht immer möglich ist. Wer beispielsweise von Radikalen angegriffen wird, sollte lieber nicht die eigene Handynummer rausrücken. Und mit vielen Menschen ist Reden wahrscheinlich auch gar nicht möglich. In meinem Fall hatte ich aber das Gefühl, einige Missverständnisse aus dem Weg räumen zu können und es nicht mit einer verrückten, sondern eher mit einer frustrierten Person zu tun zu haben.


Ungefähr drei Stunden nach ihrem Aufruf und dem daraus resultierenden Shitstorm, telefonierten wir also. Ich stellte meine Sicht auf die Dinge dar und versuchte ihr zu vermitteln, dass ihre Vorwürfe haltlos sind. Natürlich hörte ich mir auch ihre Gedanken an. Als ich ihr erklärte, was sie mit ihren öffentlichen Aussagen ausgelöst hatte und wie es mir erging, wurde sie offenbar nachdenklich. Das hätte sie weder erwartet, noch gewollt. Nie hätte sie geglaubt, dass ihre kleine Community zu so etwas in der Lage wäre.


Das klingt vielleicht wie eine schlechte Ausrede, aber ich glaube ihr das. Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen unterschätzen, welche Auswirkungen ihre Taten und Aussagen im Netz haben können. Mit jedem Follower und jeder Followerin geht eine Verantwortung einher. Man muss keine offizielle Influencerin sein, um Einfluss zu haben. Und diesen Einfluss – sei er noch so gering – sollte man für gute Dinge nutzen und nicht dazu, Hass gegen andere zu verbreiten.


Unser Telefonat endete friedlich. Die Person versprach mir, die Story und den Aufruf zu löschen. In dieser Sekunde endete auch die Nachrichtenflut. Der Sturm war vorüber.


5. Noch kritischer hinterfragen, was ich im Netz sehe und weiterleite

Das fünfte und letzte Learning ist mir am wichtigsten. Was mich an der ganzen Sache nämlich am meisten schockiert, ist die Tatsache, dass Menschen einfach glauben, was ihnen irgendwer im Internet sagt und dann munter drauf los haten.


Viele Leute im Netz scheinen nur darauf zu warten, dass es mal wieder irgendwo Stress gibt und sie sich „einmischen“ können. In diesem Fall stellte die Person es so dar, als sei sie von mir und dem großen Medienunternehmen bestohlen worden. Die klassische David-gegen-Golliath-Geschichte kommt schon seit Jahrtausenden immer wieder gut an. Ihre Follower:innen hatten den Eindruck, für „das Gute“ zu kämpfen, indem sie mir diffamierende Nachrichten schrieben. Dass die Vorwürfe nicht zutreffend sein könnten und die Wahrheit ganz anders aussieht, zogen sie gar nicht in Betracht.


Eine einzige Nachricht war konstruktiv; Ein junger Mann schrieb mir, er habe von den Vorwürfen gelesen und fände die Argumente, die die Person in ihrer Story genannt hatte, einleuchtend. Gleichzeitig könne er sich aber nicht vorstellen, warum ich so gehandelt haben soll, wie es mir vorgeworfen wurde. Er würde daher gerne wissen, wie die Sache aus meiner Sicht gelaufen ist. Im Gegensatz zu all den Beleidigungen, die ich einfach löschte, antwortete ich auf diese Nachricht ausführlich. Ich schrieb ihm meine Perspektive und es ergab sich ein konstruktives und respektvolles Gespräch, aus dem er dann schlussfolgern konnte, wie es tatsächlich gelaufen war.


Ich würde mir sehr wünschen, dass es mehr Menschen wie diesen Mann gibt. Menschen, die hinterfragen, das Gespräch suchen und sich informieren, bevor sie blind Shitstorm-Aufrufen gegen andere Menschen folgen. Es ist großartig, sich im Internet für Themen stark zu machen oder Ungerechtigkeiten anzuprangern. Doch wir dürfen nie vergessen, dass die Geschichten gerade auf den sozialen Medien meist nur von einer Seite erzählt werden und wir die andere Seite zumindest anhören sollten, bevor wir ihr unsere wütenden Worte senden.

457 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page