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Die 1. Tired Women Academy - Mein Erfahrungsbericht

Wer sich auf meiner Website umsieht, meine Blogartikel liest oder mir bei Instagram folgt, weiß, dass ich meinen Beruf liebe. Ich teile hauptsächlich die guten Seiten meines Jobs, die schönen Erlebnisse und die Momente der Freude. Von ihnen gibt es viele. Doch es gibt auch eine andere Seite. Es ist die Seite meines Jobs, die ich lieber mit mir selbst als mit dem Internet ausmache. Die Momente, in denen mich Selbstzweifel plagen, in denen mich die Arbeitsbedingungen in der Medienbranche an meine Grenzen bringen und das hierarchische System des deutschen Journalismus verzweifeln lässt.

Ich identifiziere mich seit ich denken kann mit dem Beruf der Journalistin und ich brauchte lange Zeit um mir einzugestehen, dass dieser Job nicht immer mein absoluter Traum, sondern manchmal eben auch ein Albtraum ist. Ich hatte gerade zu Beginn meines Volontariats den Eindruck, zu schwach zu sein für das System, in dem alte weiße Männer das Sagen haben und die eigenen Texte zu Tode redigieren, bis nichts mehr von der eigenen Schreibe übrig ist. Ein System, in dem vor allem Neulinge extrem viel arbeiten und dafür extrem schlecht bezahlt werden. Ein System, in dem Kritik scharf formuliert wird und Lob absoluten Seltenheitswert hat. Das alles entsprach nicht meinen Vorstellungen und ich fragte mich, ob ich – die ich in meinem Bekanntenkreis eigentlich für mein dickes Fell bekannt bin – zu naiv und dünnhäutig für diesen Job sein könnte.

Ich fühlte mich alleine mit diesen Ängsten und Gedanken, bis ich im Sommer 2019 das „Millenial Manifest“ von Bianca Jankovska las. Die junge Autorin arbeitete für verschiedene renommierte Medien und beschreibt in ihrem Buch exakt die Dinge, die mich selbst an der Branche so stören. Plötzlich fühlte ich mich verstanden und wusste, dass ich eben nicht alleine bin. Mir wurde klar: Es liegt nicht an mir. Es liegt am System.



Claas Relotius, Bianca Jankowska, das System, Tired Women Academy
Tired Women Academy: Online Peer Learning

Weil mir Biancas Buch half und ich durch ihre Worte Kraft und Selbstvertrauen wiederfand, war mir schnell klar, dass ich auch an ihrer „Tired Women Media Academy“ teilnehmen möchte. Bianca Jankowska ist inzwischen selbstständig und hat nicht nur einen Podcast gegründet, sondern eben auch eine Akademie ins Leben gerufen. Ich könnte euch jetzt in meinen eigenen Worten widergeben, worum es dabei geht, aber ich finde, Bianca beschreibt das selbst am besten. Und zwar so:

„Medienhäuser genießen das Image, eine tolle Arbeitsstätte für junge Frauen und  marginalisierte Personen zu sein. Schließlich werden wir dort für unsere Worte bezahlt! Endlich gehört! Gefördert! Und genießen das Privileg, auf Kongress-Bühnen zu sitzen. Also, falls wir jemals dort landen. Denn freiwillig Platz machen die Chefetagen auch dann nicht, wenn die 14. Paid-Content-Strategie hausintern scheitert. 

Deshalb gibt es die TW-Academy. Um aufzuzeigen, welche Strukturen das System Journalismus stützen und vor "Eindringlingen" schützen. Um Alternativen zu erarbeiten, selbstbestimmt zu jenen Themen zu publizieren, die einem am Herzen  liegen und so zu einer diverseren Gesellschaft beizutragen. Und, nicht zuletzt: eine realistischere Auseinandersetzung mit einem Berufsfeld zu ermöglichen und die Motivation zu stärken, selbst tätig zu werden. 

Obwohl Medien ohne die Artikel von (oftmals unterbezahlten) Autor*innen nicht existieren würden, merken diese beim Eintauchen ins Innere der großen Verlage schnell, dass sie noch lange nicht in einer gleichberechtigten, fairen Umgebung arbeiten, in der Können alleine zählt.Dass Seilschaften wichtiger sind, als Recherche, wissen wir spätestens seit dem Fall Claas Relotius. Zudem behindern sexistische und/oder rassistische Bemerkungen – ob intern oder extern – die publizistische Wirkung und das eigene Selbstbewusstsein.

In Journalismus-Schulen lernt man, floskelige Reportagen im Relotius-Style zu schreiben und den*die Leser*in für "dumm" zu verkaufen. Von publizistischer Selbstbestimmung, Feedback auf Augenhöhe, fairen Nutzungsrechten oder dem, was wir als Schreibende wirklich wollen? War nie die Rede. Das Motto lautet: Einreihen, still bleiben und den Status Quo um Himmels willen nicht herausfordern.

Deshalb diese Academy. Um aufzuzeigen, welche Strukturen das System Journalismus stützen und vor "Eindringlingen" schützen. Um Alternativen zu erarbeiten, selbstbestimmt zu jenen Themen zu publizieren, die einem am Herzen liegen und so zu einer diverseren Gesellschaft beizutragen. Und, nicht zuletzt: eine realistischere Auseinandersetzung mit einem Berufsfeld zu ermöglichen und die Motivation zu stärken, im „Notfall“ selbst tätig zu werden. Schließlich leben wir in einer digitalen Ära, die es einfacher macht denn je, aus eigener Kraft zur medialen Public-Persona zu avancieren.“

Wow. Ich fand das so interessant, dass ich mich nach kurzer Überlegung gleich anmeldete. Es ist die erste Online-Akademie, an der ich in meinem ganzen Leben teilgenommen habe. Sie begann im März 2020, noch bevor der Corona-Wahnsinn richtig losging und Online-Unterricht ohnehin zum Mainstream wurde. Im Nachhinein ist es natürlich umso schöner, dass die Akademie vollständig digital organisiert war und Corona sie deshalb überhaupt nicht negativ beeinflusste. Im Gegenteil: Dank Home Office und weniger sonstigen Terminen, hatte ich ausreichend Ruhe und Zeit, mich auf jede einzelne Session einzulassen und auch die empfohlene Lektüre, die Videos und Podcasts zu den Themen zu nutzen.

Jeden Dienstagabend und an zwei Sonntagen lernten wir in acht Einheiten mit Macht- und Arbeitsstrukturen im Journalismus umzugehen, bei Pitches und Verhandlungen klug zu agieren und Strategien für Community-Building zu nutzen. Bianca gab uns außerdem Basics an die Hand, um uns realistisch auf die Selbstständigkeit vorzubereiten und an unserer „Personal Brand“ zu arbeiten. Gemeinsam mit fast zwanzig anderen Teilnehmerinnen schaute ich nicht nur live zu, sondern brachte mich ein, diskutierte mit, dachte auch am nächsten Tag noch lange über das Besprochene nach. Wenn ich es in seltenen Fällen nicht schaffte, live im Zoom Meeting dabei zu sein, sah ich mir die Aufzeichnungen der Sessions später an. Die Technik lief immer einwandfrei.


Ich bin froh, dass ich mich zur Teilnahme entschieden und das Geld investiert habe. Besonders spannend fand ich die Sitzungen zu den Themen „Personal Branding“ und „Selbstständigkeit.“ Die praktischen Tipps werde ich ab sofort und in Zukunft sicherlich für mich und meine Arbeit nutzen. Außerdem lebte diese Akademie vom Austausch unter Frauen, die sich alle in einer ähnlichen Situation befinden und müde sind, weil diese Branche eben müde macht. Ich glaube, es ist unheimlich wichtig, uns gegenseitig zu unterstützen und zu wissen: Wir sind nicht alleine. Wir sind viele. Und wir sind stark. Vielleicht schaffen wir es, dem Job, den wir doch eigentlich so lieben, ein neues Gesicht zu geben und für Strukturen zu sorgen, die Journalismus wieder zu dem Traumberuf machen, den wir uns alle wünschen. Ich weiß, das klingt nach einem großen Plan. Aber ich glaube, dass genau solche Initiativen letztendlich der Anstoß zu etwas so Großem sein können.


Übrigens: Ein Zertifikat erhalten die Absolventen der Akademie nicht. Bianca hat aber auf Nachfrage mal etwas aufgesetzt, wie so etwas aussehen könnte und ich musste sehr schmunzeln:


Nun ist sie also schon vorbei, die Tired Women Media Academy. Ich kann jeder Journalistin – egal, ob sie schon berufliche Erfahrung mitbringt, oder noch am Anfang ihrer Karriere steht – nur empfehlen, Biancas Buch zu lesen, ihr bei Instagram zu folgen und an der Akademie teilzunehmen. Ich habe dank ihr jedenfalls viel gelernt. Deshalb freut es mich, dass noch mehr Frauen die Chance bekommen, an Biancas Online-Unterricht teilzunehmen: Die nächste Academy startet am 18. August, die Anmeldephase endet am 10. August beziehungsweise dann, wenn alle Tickets vergeben sind. Für mehr Infos, schaut hier vorbei.

Ich würde mich freuen, wenn ihr mir von euren Erfahrungen berichtet und vielleicht finde ich selbst bald die Kraft, Zeit und Muße, hier mehr über die beschriebenen Bedingungen und negativen Erfahrungen in der Welt des Journalismus zu berichten. Denn ich habe in den letzten Wochen erfahren, wie wichtig und wohltuend es sein kann, darüber zu sprechen.

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