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Medien in der Corona-Krise

Medienanstalten, Verlagshäuser und Journalisten befinden sich aktuell in einer schwierigen, aber zugleich auch unglaublich spannenden Phase. Denn Erfolg und Niederlage liegen in Zeiten der Corona-Krise für Medienschaffende eng beieinander: Das Interesse der Leser, Hörer und Zuschauer wächst, doch die Einnahmen sinken. Woran liegt das? Unter welchen Bedingungen arbeiten Journalisten derzeit? Welche Herausforderungen ergeben sich für sie in Zeiten von Corona? Welche Chancen? Und wie steht es wirtschaftlich um die Medienlandschaft? Diese Fragen möchte ich in diesem Text beantworten.

Arbeit unter erschwerten Bedingungen

Journalisten haben die Aufgabe, hautnah dabei zu sein, wenn etwas geschieht. In Zeiten von #socialdistancing und #stayhome ist das kein leichter Job. Journalisten gelten als „systemrelevant“ und gehören zur sogenannten „kritischen Infrastruktur.“ Das bedeutet zum Beispiel, dass sie auch während geltenden Ausgangssperren das Haus verlassen dürfen, um zu arbeiten. Doch raus geht heute eben nur, wer wirklich muss, denn auch Journalisten haben keine Lust, sich zu infizieren. Und das macht vieles schwieriger.

Genau wie die Arbeit im Home Office. Die großen Redaktionen Deutschlands arbeiten inzwischen alle von Zuhause aus. Das ist – im Unterschied zu anderen Berufen – möglich, aber nicht so leicht, wie sich das manch einer vielleicht vorstellt. Ein Medienprodukt, sei es eine Sendung, eine Zeitung oder ein Magazin, lebt von enger Zusammenarbeit, Kommunikation und Rücksprachen. Journalisten brüllen gerne durch das Großraumbüro, sie tauschen sich bei einem Kaffee in der Küche über die Nachrichten aus, in den meisten Redaktionen wird täglich gemeinsam gebrainstormt. Das alles findet nun nicht oder nur unter deutlich erschwerten Bedingungen statt. Skype, Microsoft Teams oder Zoom sind die neuen Must Haves der Medienschaffenden. Manch ein Kollege hatte davon bis vor wenigen Wochen noch nie gehört.


Digitalisierung als Chance

Das ist irgendwie erschreckend, in einer Branche, die durch digitale Kommunikation auch vor Corona schon viele Vorteile hätte haben können. Home Office beispielsweise stand in vielen Redaktionen einfach nicht auf der Agenda, obwohl es vielen Kollegen sogar leichter fällt, ihre Texte von Zuhause zu schreiben. Doch der klassische Journalist schreit eben lieber durchs Großraumbüro. Wozu Innovation? Ich habe die leise Hoffnung, dass diese Krise das Arbeiten in den Redaktionen nachhaltig zum Positiven verändert und Dinge anstößt, für die es längst an der Zeit war.


Denn in meinen Augen hat der deutsche Journalismus im Bereich Digitalisierung einiges verpennt und muss all das nun in Windeseile aufholen, um die Produktion in Corona-Zeiten gewährleisten zu können. À propos Produktion: Viele Druckereien, darunter auch einige des Verlags, für den ich zurzeit arbeite, können ebenfalls nur eingeschränkt produzieren. Das hat zur Folge, dass Hefte deutlich früher in den Druck gehen müssen als normalerweise. Es macht den Job der Journalisten nicht gerade leichter.


Nur noch Servicejournalismus

Hinzu kommt, dass die Themenauswahl derzeit doch recht begrenzt ist. Pressekonferenzen, Messen, Sportevents, Konzerte, öffentliche Veranstaltungen sind das, wovon Journalisten häufig und gerne berichten. Doch die sind nun zum Großteil abgesagt. Sowieso bestimmt Corona seit Wochen die Medienlandschaft, ganz einfach, weil es die Menschen interessiert. Doch über die Gesundheitskrise zu berichten ist nicht leicht; Die meisten Journalisten sind keine Experten für Gesundheit oder Medizin. Sie müssten sich eigentlich gründlich einlesen und recherchieren, um wirklich ordentliche Arbeit leisten zu können. Doch dazu fehlt oft die Zeit.

Die Nutzer wollen in erster Linie schnelle Antworten auf ihre dringenden Fragen. So kommt es, dass viele Journalisten hauptsächlich die Krisenstrategie der Bundesregierung und Empfehlungen verschiedener Experten transportieren und über diese Art des „Service-Journalismus“ kaum hinauskommen. So lobenswert es auch ist, dass die deutsche Regierung schnell handelt, so sehr erschwert das aktuelle Tempo den Journalisten die Arbeit. Ein gutes Beispiel dafür ist das „Hilfsprogramm“, das innerhalb einer Woche von Bundestag und Bundesrat verabschiedet wurde. Normalerweise hätten Medienschaffende Monate lang Zeit, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, die Kritik der Opposition zu verstehen, Experten zu befragen und ihre User am gesammelten Wissen teilhaben zu lassen. Das kann und sollte man nach wie vor versuchen, doch in so kurzer Zeit kann sich ganz einfach nicht so umfassend mit einzelnen Beschlüssen und Geschehnissen auseinandergesetzt werden.

Was ebenfalls nicht unerwähnt bleiben sollte, wenn es um erschwerte Arbeitsbedingungen im Medienbereich geht, sind die Versuche verschiedener Länder, aktiv in die journalistische Arbeit einzugreifen. „Reporter ohne Grenzen“ beklagt „weltweit gravierende Auswirkungen auf die Pressefreiheit“ aufgrund der Pandemie. Als Beispiele nennt die Organisation China und den Iran, die von Anfang an versucht hätten, das Ausmaß der Epidemie zu vertuschen und unabhängige Berichte darüber zu verhindern. Aber auch in europäischen Ländern wie Ungarn oder Tschechien stehen Journalisten in der Krise massiv unter Druck. Das ist Grund zu Besorgnis und Empörung!

Grund zur Freude

Doch es gibt auch viel Positives zu berichten, denn Menschen auf der ganzen Welt erkennen gerade, wie wichtig Journalismus ist. Zuverlässige Informationen und ordentliche Einordnungen waren schon lange nicht mehr so gefragt wie in den letzten Wochen. Je unklarer die Lage, desto größer das Bedürfnis nach verlässlichen Quellen.

Nachrichtensendungen wie die "Tagesschau", sowie Sondersendungen und Talkshows zum Thema Corona weisen durchweg Rekord-Einschaltquoten auf - und Rekord-Reichweiten verzeichnen auch viele Verlage. Die Corona-Ausgaben des Focus Magazins wurden zahlreicher verkauft als erwartet, was insbesondere deshalb überraschend ist, weil viele Verkaufsstellen, wie Flughäfen, Bahnhöfe und Buchhandlungen geschlossen oder wenig besucht sind. Auch die Online-Angebote vieler Verlage laufen hervorragend. Nach Angaben des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger erreichten die Verlage in der ersten Märzhälfte bereits rund 80 Prozent des Visit-Volumens des gesamten Vorjahresmonats.

Nicht nur die Riesen der Medienwelt, sondern gerade auch die kleinen Lokalmedien werden von ihren Nutzern gebraucht. In Zeiten von Social Distancing sind es oft lokale und regionale Redaktionen, die ältere, einsame und isolierte Leser am Geschehen teilhaben lassen. Sie melden, wie hoch die Infektionsrate in der Kommune ist. Sie berichten, was in der Nachbarschaft zu tun ist. Diese Art der Information kann überlebenswichtig sein. Das erkennt Deutschland nun. Es bleibt zu hoffen, dass diese Erkenntnis auch nach der Krise nicht in Vergessenheit gerät.

Grund zur Sorge

Doch so sehr wir uns in unserem Beruf auch anerkannt fühlen - Journalisten tanzen zurzeit dennoch nicht freudestrahlend im Kreis. Denn die meisten Medien finanzieren sich nicht über den Verkauf von Abonnements oder einzelnen Produkten, sondern in erster Linie über Anzeigen, also Werbung. Aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Situation vieler Firmen, registrieren Medienhäuser nun aber Massenstornos in ihren Anzeigenabteilungen. Klar, Betriebe sichern in der Krise erstmal die Basics, bevor sie teure Anzeigen oder Werbeclips schalten. Und so trifft die Corona-Krise die Vermarktung von Verlagen hart und bringt auf diese Weise das Fundament zum Bröckeln.

Ein Blick auf die Entwicklung der fünf wertvollsten deutschen Medienaktien im ersten Quartal zeigt eindrucksvoll, wie schlecht es wirtschaftlich um den Journalismus steht. Axel Springer, RTL, ProSieben/Sat1 – sie alle befinden sich im Sinkflug. Die Mitglieder des Bundesverbandes Digitalpublisher und Zeitungsverleger befürchten einen Einbruch bei den Vermarktungserlösen um bis zu 80 Prozent. Die Folge: Viele Verlage vergeben weniger Aufträge an Freie Journalisten, entlassen ihre Mitarbeiter oder schicken sie in Kurzarbeit. Nach der Süddeutschen Zeitung hat inzwischen auch die Funke Mediengruppe, für die ich zuletzt geschrieben habe, Hilfen bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt. Grund sind die massiven Anzeigeneinbrüche. Auch der Spiegel und viele weitere Medien sollen über Kurzarbeit und Stellenabbau nachdenken.

Das ist eine fatale Entwicklung, denn gerade jetzt brauchen wir engagierte Journalisten, die das tun, was sie am besten können: Informieren. Doch wie soll das funktionieren, mit weniger Stellen, schwierigen Bedingungen und schlechter Bezahlung? Eine Frage, auf die die Branche verzweifelt eine Antwort sucht und mit der sich im Grunde genommen die gesamte Gesellschaft beschäftigen sollte. Denn feststeht: Während die Welt in vielen Bereichen eine Zwangspause einlegt, muss der Journalismus genau das Gegenteil tun und die Leser und Zuschauer mit ihren Sorgen und Fragen nicht alleine lassen.

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