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Medien und TikTok - Meine Erfahrungen bei FUNKE

Es ist noch nicht allzu lange her, da habe ich mich über TikTok lustig gemacht. Meine Follower bei Instagram werden sich wahrscheinlich erinnern: Im Frühjahr nahm ich eine Story auf, in der ich erzählt habe, wie unlustig ich diese Plattform finde und dass ich so gaaaar nichts damit anfangen kann. Heute - ein halbes Jahr später - hat sich meine Meinung grundlegend geändert und ich verbringe viel Zeit auf der Plattform. Nicht zuletzt, weil ich inzwischen Gründerin und Managerin des TikTok-Kanals der Funke Zentralredaktion bin. Warum sich meine Ablehnung gelegt hat und wie ich TikTok als Journalistin nutze, erläutere ich in diesem Text.

Amelie Marie Weber beim TikTok Dreh der FUNKE Zentralredaktion in Berlin.
TikTok-Dreh in der Redaktion der FUNKE Zentrale in Berlin

Als ich zum ersten Mal TikTok ausprobierte, war ich 23 Jahre alt und unterhielt mich mit meiner Cousine Juli. Sie war damals zwölf und begeisterte musical.ly-Nutzerin, wie die Plattform damals noch hieß. Ich, als Medienfrau mit großer Social Media-Affinität, wollte natürlich gleich mehr wissen. Juli versuchte mir zu erklären, wie das alles funktioniert. Aber ihre kleinen Finger wischten so schnell hin und her über den Bildschirm – Filter hier, Effekte da – dass, ich überhaupt nicht mitkam. So also fühlt sich mein Großvater, wenn ich ihm versuche WhatsApp zu erklären, dachte ich mir. Es war ernüchternd.


Später versuchte ich noch ein paar Mal, mich der Plattform zu nähern, sie zu verstehen, aber so richtig gut lief es nicht und ganz abgesehen davon war meine Motivation äußerst gering. Schließlich ließ der TikTok-Boom, mit dem viele rechneten, auf sich warten und ich kannte absolut niemanden, außer meiner kleinen Cousine, der die App ernsthaft nutzte. Dann kam Corona.


Mit der Pandemie erlebte TikTok einen ordentlichen Schub nach vorne. Klar, plötzlich hatten alle viel mehr Zeit und das Bedürfnis nach Unterhaltung war groß. Als ehrgeizige Journalistin wollte ich natürlich dranbleiben, aber was ich sah, gefiel mir einfach nicht so richtig. Halbnackte Frauen, die sich im Netz noch nackiger machen, um Klicks zu generieren. Kinder, die wie von der Tarantel gestochen in ihren Zimmern rumhüpften. Schlechte Synchronisationen mit viel zu vielen Filtern und Special Effects. Zwar musste ich bei dem ein oder anderen Video tatsächlich auch schmunzeln und ich verbrachte viel mehr Zeit mit der App als es mir lieb war, aber im Großen und Ganzen beschloss ich, dass ich da nicht mitmachen will.


Amelie Marie Weber (Funke) und Markus Söder (CSU)
Mit Markus Söder beim TikTok-Dreh

Allerdings hatte ich diese Rechnung nicht mit meinem Vorgesetzten gemacht. Als ich im Juli den Job wechselte und als Online Redakteurin bei der Funke Zentralredaktion anfing, fragte mich mein Chef bereits in der ersten Arbeitswoche, ob ich nicht Lust hätte, die Social Media-Kanäle der Redaktion zu betreuen. Meine Freude über diesen Vorschlag schlug schnell in leichte Panik über, als er hinzufügte: „Dann könntest du auch gleich ein Konzept für TikTok entwerfen. Ich glaube, das sollten wir mal versuchen.“ Aber weil man seinem neuen Chef solch eine Bitte natürlich kaum abschlagen kann, legte ich los.


Zunächst sah ich meine Aufgabe vor allem darin, viel Zeit mit der App zu verbringen und sie so zu verstehen. Je länger ich swipte, desto mehr gefiel mir, was ich sah. Nach und nach verstand der Algorithmus, was mir zusagt und ich begriff, was TikTok-Usern gefällt. Anschließend überlegte ich mir, wie ich das für die Funke Zentralredaktion nutzen kann.


Gemeinsam mit Max aus unserem Videoteam traf ich mich zum Dreh in der Redaktion. Die ersten Videos waren typische TikTok-Trends, die ich auf den Redaktionsalltag ummünzte. Das lief ganz gut an, aber so richtige Kracher waren noch nicht dabei. Im zweiten Anlauf kreierte ich also Content, den es so noch nicht gab. Ich erklärte am 3. Oktober zum Beispiel warum wir den Tag der Deutschen Einheit feiern, wobei ich mir nicht sicher war, ob die Kids so etwas überhaupt interessiert. Die Antwort lautet: Ja! Innerhalb weniger Stunden erreichte das Video mehrere Zehntausend Klicks. Ich landete zwischen Tagesschau und Bayerischem Rundfunk in den TikTok-Vorschlägen, was wiederum weitere Zuschauer anzog.


Inzwischen habe ich Politiker wie Christian Lindner und Markus Söder für unseren Kanal interviewt – jeweils mit großem Erfolg und Views im hohen fünfstelligen Bereich. Es ist schön zu sehen, dass politische Inhalte so gut ankommen, auf einer Plattform, die ich selbst noch vor wenigen Monaten als albern und ordinär einstufte. Wir lernen nach wie vor täglich dazu und ich habe mit dem TikTok-Kanal noch viel vor. Aber ich denke, dass wir bereits auf einem guten Weg sind. In drei Monaten konnten wir mehr als 2600 Follower generieren. Wir haben 24 Videos hochgeladen und dafür 26.000 Likes bekommen. Einige Videos haben Abrufzahlen von bis zu 124.000 Views.

Amelie Marie Weber beim TikTok Webinar
Inzwischen gebe ich meine Erfahrungen mit TikTok an Kolleg*innen weiter.

Wenn ein Video gut läuft, macht es mir den größten Spaß, immer wieder die App zu öffnen und dabei zuzuschauen, wie die Zuschauerzahlen in die Höhe schießen. Tja, das ist sie wohl, die Faszination von TikTok. Doch ich möchte in diesem Text auch nicht unerwähnt lassen, wie viel Arbeit dieser Account macht. Viele meiner Arbeitsstunden widme ich TikTok. Ich kenne mich mit Instagram gut aus und pflege nicht nur den Account der Funke Mediengruppe, sondern zeitgleich auch meinen privaten. Man kann mir also vertrauen, wenn ich sage: Der Aufwand, der für TikTok nötig ist, ist mit dem für Instagram nicht zu vergleichen. Dessen muss man sich bewusst sein.


Ich bin meinem Chef dankbar, dass er die Chance in TikTok sah und dafür sorgte, dass wir sie wahrnehmen. Jetzt ist es auf der Plattform noch möglich, relativ schnell Follower zu generieren. Schon bald wird TikTok ebenso gesättigt sein wie Instagram und das Follower-Wachstum wird sich verlangsamen. Ich bin deshalb davon überzeugt, dass viele weitere Medienhäuser demnächst auch bei TikTok auftauchen werden. Dass das Interesse groß ist, merke ich auch daran, dass ich bereits mehrfach als Speakerin zum Thema zu verschiedenen Webinaren eingeladen wurde. Ich teilte meine Erfahrungen und mein Wissen beispielsweise schon auf einem TikTok-Seminar des BDZV (Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger) und bei der Webkonferenz der JuLe (Initiative Junge Leser). JuLe-Redakteurin Carina Schmihing hat außerdem bereits einen Beitrag über unseren Channel verfasst. In einem kürzlich veröffentlichten Podcast sagte sie: "Funke ist der Pionier, was Medienhäuser auf der chinesischen Plattform TikTok angeht. Es gibt bis dato niemanden, der das mit einer Akribie und Leidenschaft macht wie Amelie Marie Weber." Eine größere Motivation kann ich mir kaum vorstellen.


Amelie Marie Weber leitet den TikTok Kanal der Funke Zentralredaktion.
Das TikTok Studio der FUNKE Zentralredaktion.

Was ich persönlich dank TikTok gelernt habe ist vor allem, dass man sich als Journalistin nicht gegen neue (offensichtlich erfolgreiche) Plattformen wehren sollte, ohne sie ganz genau ausprobiert zu haben. Ja, die Verlockung ist groß, etwas einfach als „albern“ abzutun und dann weiter seine gewohnte Arbeit zu verrichten. Das Problem ist nur, dass man sich dann am Ende womöglich nicht mehr auf Augenhöhe mit den Rezipienten befindet. Und das sollte doch wirklich jede*r Journalist*in vermeiden wollen.

Wir können uns natürlich darüber ärgern, dass „die Jugend“ nur noch Comedy- und Tanzvideos konsumiert. Wir können aber auch dafür sorgen, dass politischer Content seinen Platz neben diesen Inhalten findet. Und siehe da: Die jungen Menschen finden Politik gar nicht mal so uncool. Ich halte es für gefährlich, eine Plattform wie TikTok Amateuren zu überlassen. Und zum Schluss möchte ich die Frage stellen: Wer, wenn nicht wir Qualitätsmedien, sollen denn im Netz für seriöse Nachrichten und hochwertigen journalistischen Content sorgen?


Solltet ihr weitere Fragen zum Thema TikTok haben, oder euch persönlich mit mir über das Thema austauschen wollen, kontaktiert mich gerne. Ich freue mich außerdem natürlich riiiiiiesig, wenn ihr den Kanälen folgt, die ich betreue:


- Instagram: Amelie Marie Weber

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